Spätestens im Dezember des Jahres 2017 sollte auch der letzte halbwegs Interessierte von digitalen Währungen gehört haben. Grund sind die massiven Kursausschläge (nach oben wie nach unten) und das damit verbundene Medienecho. Was soll eigentlich der ganze Terz?
Aller Anfang ist heimlich
Ein kleiner Exkurs in eine andere Art Projekt – die Crypto-Initiativen. Wie es mit echten Trends häufig so ist, erkennt man sie meist erst im Nachhinein. So natürlich auch hier. Als ein bis heute Unbekannter unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto im Jahre 2008 erstmals öffentlich über das Thema Bitcoin nachdachte, und im Folgejahr die entsprechende Software dazu veröffentlichte, hat niemand angenommen dass diese Cent-Währung ein paar Jahre später pro Stück für bis zu 20T USD gehandelt werden würde.
Die Idee war simpel, und natürlich tief geprägt vom disruptiven Geist ihrer Generation.
- Wir brauchen eine Währung, die nicht durch staatliche Regulation eingeschränkt wird.
- Es soll ein Zahlungsmittel sein, was für jedermann mit passendem Client zugänglich ist.
- Die Erzeugung und Verteilung des Geldes erfolgt dezentral, verschlüsselt, und wird fälschungssicher durch ein repliziertes Log (Blockchain).
- Das wird super.
Auf dieser Grundidee sollten in den folgenden Jahren noch viele weitere Währungen aufspringen, teils enger verwandt, teils mit eigenen Ansätzen. Heute gibt es mehr als 1000 davon, mit einer Marktkapitalisierung von ungefähr einer halben Milliarde USD. Manche wollen wie der große Bruder Bitcoin Zahlungsmittel sein, andere wollen die Forschung, die Industrie oder die Medienlandschaft grundlegend umwälzen. Ein Konzept allerdings, was sich anschickt solch tiefgreifende Veränderungen an so zentralen Stellen vorzunehmen, hat keinen leichten Start.
Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen
Nehmen wir das Beispiel Bitcoin in puncto Währungsreform. Es gibt hier so einige Stolpersteine, wenn nicht alle Beteiligten nur idealistische, zukunftsgewandte und wohlwollende Menschen sind.
- Zunächst hat ein Zahlungsmittel natürlich nur dann einen Wert, wenn es das Vertrauen der Bezahlenden genießt (Debitoren). Eine neue Währung die auf neuartige Weise durch mir unbekannte Stellen ohne Adresse erzeugt und verteilt wird? Wie gut muss ich mich mit der Technologie auskennen, um mir ruhigen Gewissens mein Gehalt in digitaler Währung auszahlen zu lassen? Wie hoch ist die Gefahr, dass die neue Währung nur als technische Spielerei einiger Freaks wieder verschwindet, zusammen mit meinem investierten „Echt“ (FIAT)-Geld?
- Vertrauen ist natürlich eine zweiseitige Frage, denn anfangs sind natürlich auch die Akzeptanzstellen der neuen Währung recht rar (Kreditoren). Auch heute noch finden sich in der wachsenden Liste für Bitcoins (die nach wie vor bekannteste Digitalwährung) vor allem übliche Verdächtige wie Softwarehersteller (Microsoft), Online-Initiativen (Mozilla, Wikipedia) und einige progressive Dienstleister. Das muss sich ändern, damit der Charakter der Währung auch tatsächlich zum Tragen kommen kann. Bis dahin bleiben Digitalwährungen Hobbyprojekte mit Spekulationscharakter.
- Eine weitere Ebene der Unsicherheit ist die Aufbewahrung. Während ich Guthaben bei durchregulierten Banken oder (wer es mag) Scheine im Kopfkissen erfahrungsgemäß gut lagern kann, bei wem lagere ich digitale Währungen? Ich könnte sie den Handelsplattformen lassen, oder bei entsprechenden Online-Wallets unterbringen. Hardware-Wallets sind auch eine Alternative. Egal wo ich meine Währungen ablege, die zentrale Frage ist: wie sicher sind sie dort?
- Um bei den Transaktionen Manipulationen und Täuschungen vorzubeugen, muss ich mangels zentraler Vertrauensinstanz meinen einzelnen Geschäftspartnern vertrauen können. Das funktioniert im 5-Mann-Entwicklerkreis Süd-Recklinghausen sicher großartig. Im täglichen Zahlungsverkehr mit Fremden und mehreren Dutzend Transaktionen pro Tag und Teilnehmer wird das jedoch ein Thema.

Eine gute Investition?
Heute dienen Digitalwährungen auch aufgrund der überschaubaren Anzahl an Akzeptanzstellen nur eingeschränkt als Zahlungsmittel. Sie sind oft eher Investitionsobjekt für die einen und Kapitalbeschaffungsmaßnahme für die anderen.
Viele kühne Projekte mit hochgesteckten Zielen möchten mit ihren Ideen neue Wege beschreiten. Das dafür nötige Kapital wird an Coin / Token Exchanges wie bitfinex, coinbase, bittrex und Poloniex beschafft. Durch Initial Coin Offerings (ICO) und den regulären Handel über die Börsen wird die neue Währung zu einer Art Geldanlage, bei der die großen Handelsplattformen vor allem den Tausch von und in FIAT Währungen ordentlich bepreisen. Ein- und Auszahlungsgebühren FIAT <-> Digital von 20-30 USD Mindestgebühr sind nicht die Ausnahme. Die schöne neue Welt mit niedrigen Gebühren ist also (noch) jenen vorbehalten, die ihre Aktivitäten auf den reinen Digital-Handel beschränken.
Die Kurse sind auch nach den großen Wellen im Dezember vor allem etwas für den risikofreudigen Anleger, und mit dem Future-Handel kann natürlich auch short gewettet werden. Denn selbstverständlich gab es Sicherheitsprobleme, Zusammenbrüche und Skandale – alles wie immer aufgehübscht durch unsere lieben Medien, die auch bei diesem Thema von einer schockierenden Nachricht zur nächsten hetzen, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Ohne „real existierende“ Basis oder staatliche Legitimation sind Digitalwährungen dem Spiel der Kräfte (und damit auch der Investorenmeinung) nahezu schutzlos ausgeliefert.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Irgendein Internet-Käseblatt schreibt (nicht hier verlinkt), IOTA hätte fälschlicherweise eine Partnerschaft mit Microsoft und Bosch behauptet. Es folgt ein massiver Kurseinbruch für die Berliner IoT-Währung. Wenige Tage später der Rückzieher: Ach stimmt, IOTA hat das gar nicht behauptet, es wurde nur einfach falsch zitiert. Und eigentlich ist ja Bosch doch Partner. Das Medium bekam seine Clicks, und der Kurs von IOTA erholte sich nur langsam.
Hier noch viel mehr als im klassischen Handel mit „realen“ Kapitalprodukten ist Wohl und Wehe meines Portfolios von der aktuellen Wetterlage abhängig.
Nichts für schwache Anleger-Nerven, und bei den extrem schwankenden Kursen auch keine sinnvolle Basis für den eigentlichen Zweck: der Einsatz von bspw. Bitcoin als Währung setzt nun mal eine gewisse Wertstabilität voraus. Sonst verliert mein Bäcker entweder wegen zu hoher Preise Umsatz, oder geht wegen zu niedriger Preise pleite, wenn er seine Bitcoin-Preise nicht täglich (oder stündlich) an die aktuelle Kursentwicklung anpasst.
Eine Idee der Zukunft
Wie geht es also weiter? Frau Merkel würde möglicherweise sagen „Habt Verständnis, es ist Neuland.“ Und das ist es auch.
Niemand hat Erfahrung mit Vorhaben dieser Art und Größenordnung. Die Politik nicht, die Wirtschaft nicht, und auch die Währungsanbieter selbst nicht. Jeder hat sicher Ideen, und viele auch Interessen. Der ein oder andere wird dazu neigen Vergleiche zu ziehen, zur letzten Revolution böte sich das an, das Zeitalter der Plattformen war ja auch so was Überraschendes. Aber das hier ist anders, und was als Nächstes passieren muss und wird, das steht völlig in den Sternen.
Mit dem Einstieg großer institutioneller Anleger durch den Handel von Bitcoin-Futures wurde eine Tür aufgestoßen in eine Welt, in der strategische Investitionen im großen Umfang Teil des Spiels werden (Stichwort Austrocknen, Abschöpfen usw.). Die im Vergleich geringe Marktkapitalisierung setzt für solche marktgestaltenden Instrumente nicht mal eine besonders hohe Hürde. Weitere Finanzprodukte (ETF anyone?) und Währungen (Ethereum steht ganz vorn dabei) werden zeitnah folgen. Damit wird wiederum der Zugang für den Anleger leichter, die Kapitalisierung höher und so auch die Finanzierungsbasis breiter. Es steht somit zu vermuten, dass der Trend weiter nach oben zeigt, nur eben auf diesem Weg mit heftigen Ausschlägen.
Es werden weitere Ideen geboren werden die über Crypto-Currencies finanziert werden, allerdings ist der Weg in die Top 10 ziemlich steinig. Nur die wenigsten Währungen bedeuten 1 Jahr nach ICO noch etwas, und bei github herrscht dann auch schnell wieder Stille wenn der erste Gründer-Rausch vorbei ist.

Ich persönlich gehe fest davon aus, dass sich einige dieser Projekte durchsetzen. Auf keinen Fall alle, vermutlich nicht einmal viele, aber einige davon werden unsere Welt verändern. Allerdings bin ich als Laie nicht sehr überzeugt davon, dass der Vorreiter in Sachen Crypto-Währung (Bitcoin) wirklich als Währung taugt. Zu groß sind die Nachteile durch Transaktionsgeschwindigkeit (7 pro Sekunde, wirklich?) und Volatilität.
Andere Ideen werden ihrer Zeit einfach nur voraus sein, und eventuell später erfolgreich wieder aufgegriffen werden. Ob jetzt als Visionär oder als Aktionär, jeder mit Interesse an den Entwicklungen der Zukunft sollte das Thema im Auge behalten. Auch wenn es heute aus gutem Grund noch in den Kinderschuhen steckt.
Denn gerade wir sollten in den vergangenen 10-15 Jahren gelernt haben, dass Disruption manchmal schneller geht als gedacht.
Auf eine hoffnungsvolle Zukunft,
