Change Management – Mach mich nicht nass

Wie der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, und wie das Umsteuern gelingt.

Nicht wenigen Projektleitern erscheint das Bemühen, die Projekt-Grundannahmen (Baselines) im Zaum zu halten ungefähr so einfach, wie einen Pudding an die Wand zu nageln. Wenn dann zu allem Überfluss die schöne neue Lösung nicht akzeptiert wird, ist guter Rat – oft sehr – teuer. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier das Change Management.

Manage the change

Zunächst ein kurzer Einschub zur begrifflichen Abgrenzung. Das Änderungswesen (auch ebenfalls als „Change Management“-Prozess bspw. in der ITIL beschrieben) befasst sich mit den Änderungen an einem Produkt oder einer Leistung, und soll hier nicht gemeint sein. Das hier gemeinte „Change Management“ befasst sich mit Veränderungsprozessen in einer Organisation.

Es fokussiert darauf, dass die Umsetzung jeder Initiative eine gewisse Notwendigkeit zur Veränderung mit sich bringt. Wie in mühevoller Erfahrung wiederholt gelernt wurde, geben nur die wenigsten Organisationen dieser Notwendigkeit unbehandelt nach. Es baut sich also Gegendruck auf, der zunächst überwunden werden will. Das fällt nach einhelliger Ansicht um so schwerer, je später und je unstrukturierter man sich dieses Themas widmet. In einer Zeit, in der – vormals durch die Lieferkette geschützte – Organisationen hochprofessionell und modern direkt mit Endkunden in Kommunikation treten (B2C), sind zusätzlich auch vormals gut versteckte Marktakteure enormen Erwartungen an ihre Projekte ausgesetzt.

Es lohnt also, sich über den zeitlichen und inhaltlichen Verlauf der ein- und ausgehenden Kommunikation Gedanken zu machen. Damit sind wir schon beim Kern des Change Managements. Die ersten lockeren Ansätze (vgl. Levin) dazu sind bereits ein Stückchen älter (frühes 20. Jahrhundert), der strukturierte Durchbruch gelang jedoch erst Kotter mit seiner Change Management Bibel „Manage the change“. Kotter hat in seinem Buch ein sehr klares Vorgehensmodell definiert, welches zumindest zum Einstieg eine gute Vorstellung von der Aufgabe vermittelt.

Kotters 8-Stufen-Modell

Letztendlich geht es allen existierenden Ansätzen darum, eine Struktur zu vermitteln wie die Veränderung einer Organisation angegangen werden kann. Dies ist hilfreich um das Problem zunächst zu verstehen. Neben der reinen Beschreibung möglicher Maßnahmen, würde ich den Fokus unbedingt auch auf eine zielgruppengerechte Versorgung legen. Diese beginnt – wie sollte es anders sein – mit der Bestimmung der Zielgruppe.

Zielgruppen des Change Managements

  1. Support – offen unterstützend, oder konstruktiv hinterfragend „Ich will helfen, und ich will dass es gut wird“
  2. Akzeptanz – verdeckt unterstützend „Ich bin damit einverstanden“
  3. Passivität – still „Von mir aus“
  4. Widerstand – offen ablehnend „ich will es (so) nicht“

Da den Absendern ihre Rolle nicht auf die Stirn geschrieben steht, tut das versierte Change Management gut daran, dem Gegenüber genauer zuzuhören. Möglicherweise zeigen alle Betroffenen zunächst Skepsis, es könnte ja schließlich sein dass ein ähnliches Projekt 3 Jahre zuvor in einem Desaster endete. Oder ein versierter Interims Manager hat in der letzten Initiative 20% Personal abgebaut. Das bedeutet, auch die Gruppen 1-3 können durchaus skeptisch sein, können aber durch ein bedachtsam aufgesetztes Change Management gut eingefangen werden.

Gruppe 4 hingegen erkennt man daran, dass trotz sorgfältiger Analyse, Aufnehmen von Feedback, Reaktion darauf und zahlreicher zufriedener(er) Kollegen nicht zu besänftigen sind. Also leider erst relativ spät im Prozess. Trotzdem ist es hilfreich, im Hinterkopf zu haben dass es solche Stakeholder gibt.

Das Echo vertragen

Um tatsächlich das Change Management für eine Zielgruppe optimal zuzuschneiden, empfiehlt sich eine Zwei-Wege-Kommunikation. Das schafft einerseits Vertrauen zwischen Projekt und Stakeholdern, und verhindert andererseits zu lehrbuchmäßige Change-Ansätze – denn wenn Sie fragen, wissen Sie ja was gewünscht ist.

Nichtsdestotrotz ist natürlich der Fokus des Change Managements, dass das Projekt als Sender auftritt. Während jedes Individuum in Organisationen immer sendet (auch und oft besonders dann wenn es nichts sagt), ist das Ziel des Change Managements dieses Senden strukturiert zu gestalten. Dabei hilft unter anderem dass Informationen einheitlich, verständlich, konsistent und verfügbar bereitgestellt werden. Zentrale, permanente Portallösungen – gern auch mit verknüpften Dokumenten und Medien – eignen sich hierfür genauso hervorragend wie zu den einzelnen Themen und Phasen aufgesetzte (temporäre) Meetings und Calls. Inhalt kann bspw. sein:

Offene Kommunikation (Sachinhalt – direkt, dokumentiert, langfristig)

  • Kommunikation zur Projektiniitierung, zum Phasenabschluss, zum Projektende
  • Trainings und Schulungsunterlagen zur Anwendervorbereitung
  • Lösungsdokumentation

Verdeckte Kommunikation (Emotionsinhalt – indirekt, temporär)

  • Höflichkeit im Umgang mit Anfragen und Mitarbeitern
  • Aufsetzen und organisatorische Verankerung des Change Management
  • Auftreten in der Öffentlichkeit, Präsentation

Auf der anderen Seite – und hier ist die Zielgruppenorientierung noch einmal besonders wichtig – sollte ein Projekt sich unbedingt auch als Empfänger positionieren. Auch hier gilt, möglichst effizient Feedback-Kanäle zu schaffen über die Sie wertvolle Informationen aus der Organisation erhalten. Dies betrifft sowohl die Projektvorbereitung und -durchführung, als auch die (hoffentlich wesentlich längere) Phase nach dem Rollout. Auch hier ist die Nutzung verschiedener Instrumente denkbar, von Feedback-Fragebögen über Fokusgruppen-Workshops bis zu Online-Umfragen. Inhalte können hierbei sein:

  • „Lessons Learned“-Umfragen im Projektteam
  • Erfassung der Zufriedenheit der LoB Stakeholder mit dem Projekt
  • Fokusgruppentests mit frühen Iterationen der Lösung beglücken
  • Kundenzufriedenheitsumfragen im regelmäßigen Turnus
  • Kummerkästen (Nutzung zeitlich begrenzen!)

What to do?

Verknüpfen wir nun die Zielgruppen mit den Überlegungen zur Kommunikation, ergibt sich ein genaueres Bild, wie im Change Management vorgegangen werden kann. Wie bereits angedeutet ist die Gruppe 4 zwar fast immer vorhanden, wird aber nicht immer als solche erkannt. Manchmal werden sie einfach überrollt, manchmal überhört, aber meist ist es doch so dass sie früher oder später auftauchen. Stellen Sie sich also darauf ein.

Jedoch sind auch die Gruppen 1 bis 3 keineswegs gegen alle Resistenzen gefeigt – sie bringen vielmehr jeweils individuelle Barrieren mit, die je nach Ursache auch verschieden adressiert werden will:

Sie sehen es: in den markierten Aktivitäten liegt der Fokus je Zielgruppe an verschiedenen Stellen. Achten Sie darauf, die zielgruppengerechte Behandlung der Stakeholder insbesondere in längeren Projekten durchgängig aufrechtzuerhalten.

Besonders perfide: insbesondere Widerständler der Gruppe 4 haben in modernen Organisationen gelernt, ihren Unwillen als kritischen Support (Gruppe 1) zu tarnen. Es lässt sich im Normalfall recht schnell feststellen, wer tatsächlich unterstützt, und wer das nicht tut. Eine Gruppe 4-Verhinderer, den man im gesamtem Projektverlauf überhaupt nicht bemerkt, hat schließlich auch nichts erreicht.

Für die Mitglieder der Gruppe 4 können Sie früher oder später davon ausgehen, dass sie disziplinarisch überstimmt werden müssen. Man tut daher gut daran, je nach Stärke des Widerstands für solche Art von Notfälle einen guten Draht nach oben zu haben, und – nicht weniger wichtig – eine gute Dokumentation der Interaktionen mit dieser Gruppe zu führen und sicher aufzubewahren. Brauchen Sie sie am Ende doch nicht, dann um so besser.

Erwartungsschraube

In der Praxis hat sich die Umsetzung eines effektiven Change Managements als hilfreich, aber nicht als einfach erwiesen. Das gilt nicht zuletzt für komplexe Projekte im globalen Umfeld, wo neben Zeitzonen auch kulturelle Eigenheiten berücksichtigt werden wollen.

Man darf bei all dem „Change is good“-Gebahren nicht vergessen, dass ein stabiles System seit jeher ein evolutionärer Vorteil sind. Wer sich ständig ändert, ohne organisatorische Ruhephasen zur Konsolidierung und Festigung zuzulassen, schwächt die Organisation und ist stabileren Konstrukten unterlegen. Außerdem beeinflussen strukturelle Eigenschaften wie auch individuelle Persönlichkeitsmerkmale den Grad an Veränderung der als begrüßenswert – oder zumindest noch akzeptabel – wahrgenommen wird. Ist Angst ein (im einen wie im anderen) ausgeprägtes Merkmal , wird Veränderung immer behindert, oder – je nach Managementstufe der Ängstlichen – sogar verhindert.

Sie können diesen Herausforderungen offenen Auges begegnen, eine Strategie entwerfen und diese umsetzen. Was Sie aber vermutlich nicht können, ist (wie oben bereits erwähnt) alle Mitarbeiter restlos zu überzeugen. Je größer das Projekt, desto größer die Menge der Menschen die skeptisch sind – allem Change zum Trotz. Organisieren Sie den Unmut, lassen Sie sich davon nicht überraschen – dann haben Sie schon viel geschafft.

Dabei viel Erfolg,